Oberlandesgericht Köln, Urteile vom 14.11.2019, Az. 15 U 89/19 und 15 U 126/19
Im Jahr 2018 hat der Bundesgerichtshof zum dritten Mal über das Verhältnis des Bewertungsportals „jameda“ zu Ärzten entschieden. Der Fokus lag diesmal auf datenschutzrechtlichen Löschungsansprüchen (wir berichteten). Dabei stellte das oberste deutsche Gericht heraus, dass jameda nur dann personenbezogene Daten von Ärzten ohne deren ausdrückliche Einwilligung in das Portal einstellen darf, wenn jameda als „neutraler Informationsvermittler“ handelt. Geht das Bewertungsportal über diese Rolle hinaus, können Ärzte die Löschung ihrer jameda-Profile verlangen.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis vor Gerichten die Frage ausgelotet wird, wann und unter welchen Bedingungen von einer Rolle als „neutraler Informationsvermittler“ ausgegangen werden darf, bzw. wann diese nicht mehr vorliegt. Das Oberlandesgericht Köln hat nun in zwei Fällen über diese Frage entschieden. Allerdings sind beide Urteile aktuell nicht rechtskräftig und können durch ein Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof angegriffen werden. Inhaltlich ging es in beiden Kölner Fällen erneut um die Frage, ob die Nutzung der personenbezogenen Daten jener klagenden Ärzte durch jameda legitim ist.
Zum Verständnis des hier akuten Rechtsproblems muss man wissen, dass jameda ungefragt von wahrscheinlich allen Ärzten in Deutschland sogenannte „Basisprofile“ anlegt. Diese Basisprofile sind kostenlos und beinhalten Informationen, die z.B. auch in Telefonbüchern zu finden sind. Sie bilden das Rückgrat der von jameda bereitgestellten Datenbank. Darauf aufbauend bietet jameda kostenpflichtige Dienstleistungen an, die den in der Datenbank gelisteten zahlenden Ärzten Vorteile bieten sollen – natürlich vor allem Vorteile gegenüber den nicht-zahlenden Kunden.
Personenbezogene Daten waren bis Mai 2018 über das Bundesdatenschutzgesetz geschützt, das inhaltlich von der nunmehr geltenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) abgelöst wurde. Artikel 17 DSGVO statuiert einen Löschungsanspruch derjenigen, deren Daten verarbeitet werden, wenn keine legitime Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung (mehr) vorliegt. In den Kölner Fällen haben die Ärzte sich auf diesen Anspruch berufen und von jameda die vollständige Löschung ihrer „Basisprofile“ von der Plattform verlangt. jameda hingegen beruft sich auf die vom Bundesgerichtshof im Jahr 2016 statuierte Position, als Bewertungsplattform eine wichtige und gesellschaftlich gewünschte Funktion zu erfüllen. Man habe aufgrund dieser Funktion ein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ an der Nutzung der Daten der Ärzte für die „Basisprofile“, die daher auch legitim seien.
In der Abwägung, ob tatsächlich ein solches „berechtigtes Interesse“ vorliegt, ist wiederum entscheidend, ob jameda als „neutraler Informationsvermittler“ handelt oder nicht. Zur Beantwortung dieser Frage hat das Oberlandesgericht Köln viele Gestaltungselemente und Funktionen des Portals von jameda einzeln betrachtet und für jede entschieden, ob die jeweilige Ausgestaltung noch diesem Anspruch gerecht wird. Hierzu hat es die Eigenschaften der „Basisprofile“ mit den Eigenschaften des Angebots für „Premiumkunden“ verglichen und in welchem Verhältnis beide zueinanderstehen.
Nicht ganz überraschend hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass „Basisprofile“ anders behandelt werden als „Premiumkunden“ und dass sich jameda die Bevorteilung der „Premiumkunden“ bezahlen lässt.
Dies befindet das Gericht jedoch soweit für zulässig, als dass es nur um die visuelle Ausgestaltung der einzelnen Profile geht. Dass „Premiumkunden“ also Fotos und zusätzliche Informationen auf ihr Profil einstellen dürfen, wird damit als unschädlich betrachtet. Beanstandet wurden jedoch eine Reihe weiterer Gestaltungselemente. Insbesondere dann, wenn „Basisprofile“ im Zusammenhang mit „Premiumprofilen“ nachteilig dargestellt werden. So würde etwa in Auflistungen den „Premiumkunden“ ein unzulässiger Vorteil gegenüber den „Basiskunden“ gewährt. Damit verlasse die Plattform ihre Funktion als „neutraler Informationsvermittler“, weil sie Informationen eben gerade nicht mehr neutral, sondern zugunsten der „Premiumkunden“ vermittelt. Gleiches wurde festgestellt für Funktionen, die in „Basisprofilen“ werbliche Effekte für „Premiumkunden“ zeitigen. Z.B. dann, wenn Fachbeiträge ggf. konkurrierender Ärzte mit Premiumprofil im Profil von „Basiskunden“ eingeblendet werden, oder wenn in einem Basisprofil eines Arztes ein Verweis auf einen Premiumkunden des gleichen Fachgebiets angezeigt wird.
Fazit:
Die Gestaltung des Bewertungsportals jameda bleibt hart umkämpft. Viele Ärzte nutzen gerne das in der Plattform für sie steckende Werbepotential und sind auch bereit, für eine solche Darstellung zu bezahlen. Dennoch gibt es nachvollziehbarerweise ebenso viele Stimmen in der Ärzteschaft, die sich von der Plattform zu Zahlungen genötigt sehen, und nicht mit einer Zwangs-Präsenz und der damit einhergehenden Darstellung ihrer Praxis auf der Plattform einverstanden sind.
Es bleibt abzuwarten, wie der in der Zwischenzeit angerufene Bundesgerichtshof diesen Konflikt in der Revision lösen wird.
Hinweis
In dieser Rubrik möchten wir über aktuelle Rechtsentwicklungen rund um Bewertungsportale berichten. Dabei geben die Artikel die Meinung der Verfasser zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Aufgrund der Dynamik des Rechtsgebiets kann es vorkommen, dass besprochene Urteile durch zu einem späteren Zeitpunkt ergangene Urteile überholt sind. Auch ist es möglich, dass unterschiedliche Gerichte zu ähnlichen Rechtsfragen unterschiedliche Urteile fällen, soweit es zu diesen keine eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt.
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