Oberlandesgericht München, Urteil vom 27. Februar 2020, Az. 29 U 2584/19
Ein Zahnarzt hatte in seinem jameda „Premiumprofil“ insgesamt 60 Bewertungen mit einer sehr guten Gesamtnote von „1,5“. Nachdem er seine Premium-Mitgliedschaft kündigte, musste er feststellen, dass jameda unmittelbar darauf 10 positive Bewertungen aus seinem Profil gelöscht hatte. Einige der Bewertungen waren zum Zeitpunkt der Löschung bereits etwa 2 Jahre auf der Plattform vorhanden. Der Zahnarzt meinte, die Löschung sei willkürlich und ohne sachlichen Grund quasi als „Retourkutsche“ für die Kündigung der Premium-Mitgliedschaft erfolgt. Er fühlte sich durch die Löschung in seinen Rechten verletzt und verlangte von jameda, die gelöschten Bewertungen wieder zu veröffentlichen.
jameda berief sich darauf, es habe lediglich die von jameda regelmäßig zur Qualitätssicherung eingesetzten Instrumente auf die Bewertungen angewendet. Diese hätten berechtigte Zweifel an der Authentizität der gelöschten Bewertungen ergeben. Weitere Überprüfungen hätten diese Zweifel nicht ausräumen können. Dass die Löschung in zeitlicher Nähe zu der Kündigung der Premium-Mitgliedschaft erfolgt sei, wäre Zufall. Auch hätte die Überprüfung der Bewertungen des Zahnarztes nachweislich schon vor dessen Kündigung begonnen. jameda hat die zur Qualitätssicherung eingesetzten Instrumente in ihren Grundzügen dargelegt, verweigerte jedoch eine detailgetreue Darstellung dieser Instrumente unter Berufung auf seine Geschäftsgeheimnisse.
Nachdem der Zahnarzt bereits in erster Instanz vor dem Landgericht verloren hatte, entschied nun auch das Oberlandesgericht zu Gunsten von jameda.
Seine Entscheidung basierte das Oberlandesgericht München im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen:
- Auch wenn der Zahnarzt einen sogenannten „freien Beruf“ ausübe, steht ihm Recht auf den Schutz seines „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs“ zu. Die Löschung der positiven Bewertungen stellt grundsätzlich einen Eingriff in diesen Schutzgegenstand dar.
- Allerdings war dieser Eingriff nicht rechtswidrig. Das ergibt sich aus einer Abwägung der in diesem Fall beteiligten Güter und Interessen.
- Maßgeblich ist, dass das Bewertungsportal von jameda eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünscht Funktion erfüllt: es fördert die Transparenz im Gesundheitswesen und den funktionierenden Wettbewerb zwischen Ärzten.
- Diese Funktion kann jameda nur wirksam nachhaltig ausüben, wenn dafür Sorge getragen wird, dass die Bewertungen auf der Plattform authentisch und nicht gefälscht sind.
- jameda hat im Verfahren hinreichend überzeugend dargelegt, dass die Entscheidung über die Löschung der Bewertungen nicht willkürlich war. Einen Gegenbeweis hat der Zahnarzt nicht führen können.
- jameda ist nicht verpflichtet, die zur Qualitätssicherung eingesetzten Instrumente detailgenau darzustellen, z.B. indem die Funktionsweise der Prüfungsalgorithmen offengelegt wird. Diese Instrumente sind als Geschäftsgeheimnisse geschützt. Würden sie offenbart, würden rasch Umgehungsmöglichkeiten entwickelt, um die Instrumente zu überlisten. Die Offenbarung der Instrumente würde also die Funktion der Plattform bedrohen.
Fazit:
Genauso wie schlechte „Fake-Bewertungen“ ein Ärgernis für den Bewerteten sind, sind gute „Fake-Bewertungen“ ein Ärgernis für das Bewertungsportal. Daher haben Bewertungsportale Instrumente entwickelt, die prüfen ob Bewertungen authentisch oder gefälscht sind. Die Bewertungsportale sind nicht dazu verpflichtet, die genaue Funktionsweise dieser Prüfungsmechanismen der Öffentlichkeit preiszugeben.
Kritiker können dieser Rechtsprechung vorwerfen, sie setze die Bewerteten der Willkür der Bewertungsportale aus. Das ist leider nicht vollends von der Hand zu weisen. Es wird einem Arzt aufgrund der Anonymität der Bewertungen regelmäßig eher schwerfallen, zu beweisen, dass seine positiven Bewertungen auf echten Begegnungen basieren. Zumindest im beschriebenen Fall ist dem Arzt das nicht gelungen – vielleicht, weil die Einschätzung von jameda hier in der Tat richtig war. Andererseits ist jeder Einzelfall anders und muss für sich betrachtet und abgewogen werden. Kann ein Arzt nachweisen, dass es sich um „echte“ Bewertungen handelt, etwa weil er seine Patienten gut (er)kennt, dann wird er sich durchaus gegen die Löschung von guten Bewertungen zur Wehr setzen können.
Hinweis
In dieser Rubrik möchten wir über aktuelle Rechtsentwicklungen rund um Bewertungsportale berichten. Dabei geben die Artikel die Meinung der Verfasser zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Aufgrund der Dynamik des Rechtsgebiets kann es vorkommen, dass besprochene Urteile durch zu einem späteren Zeitpunkt ergangene Urteile überholt sind. Auch ist es möglich, dass unterschiedliche Gerichte zu ähnlichen Rechtsfragen unterschiedliche Urteile fällen, soweit es zu diesen keine eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt.
Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zur aktuellen Rechtslage haben.