Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 6.7.2020, Az. 6 W 49/19
Ein Arzt hatte sich gegen eine anonym und ohne Begründung abgegebene „1-Stern Bewertung“ auf Google gewehrt. Er machte geltend, es handele sich um eine „Fake-Bewertung“, da kein Behandlungskontakt stattgefunden habe. Google wies dies zunächst zurück, hat aber einen Gegenbeweis nicht geführt. Erst nachdem Klage erhoben wurde, löschte Google die Bewertung, woraufhin die Klage einvernehmlich für erledigt erklärt wurde.
Im Anschluss weigerte sich Google aber, die dem Arzt entstandenen Kosten des Verfahrens zu tragen. Dies begründete Google damit, die Klage hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Die angegriffene Bewertung wäre eine durch die Meinungsfreiheit geschützte Äußerung gewesen. Insbesondere sei Google, im Gegensatz zu z.B. jameda, kein spezialisiertes, sondern ein branchenübergreifendes Bewertungsportal und man könne dort Bewertungen für viele unterschiedliche Lebenssachverhalte abgeben. Daher könne sich die Bewertung nicht nur auf ärztliche Leistungen beziehen, sondern auf einer Vielzahl von Berührungspunkten wie z. B. Terminvereinbarungen oder die Freundlichkeit der Mitarbeiter. Die Beschwerde des Arztes habe sich nur auf einen Behandlungskontakt bezogen und wäre damit nicht präzise genug gewesen.
Anders als das Landgericht Mannheim in der Vorinstanz, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe dem Arzt einen Löschungsanspruch gegen Google zugesprochen. Begründung des OLG: Bei der Bewertung eines Unternehmens steht immer die Qualität der vom Unternehmen im Wesentlichen angebotenen Dienstleistung für die Nutzer im Vordergrund. Deswegen bezieht sich ein Bewertungseintrag, der keine weiteren Informationen über den Grund der Bewertung enthält, per se immer auf die im Wesentlichen angebotene Dienstleistung – bei einem Arzt also auf die Qualität einer ärztlichen Behandlung.
Im vorliegenden Fall hat der Arzt seine Beschwerde darauf gestützt, dass der Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde liege. Das reicht nach Auffassung des Oberlandesgericht Karlsruhe aus. Ob eventuell andere Lebenssachverhalte die Tatsachenbasis für die Bewertung begründet haben, kann der Arzt aufgrund der Anonymität und der fehlenden Informationen schlicht nicht wissen. Er muss sie daher nicht zur Grundlage seiner Beschwerde machen.
Unsere Einschätzung:
Wir halten das Urteil des Oberlandesgericht Karlsruhe für richtig. Es liegt auf einer Linie mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und setzt diese konsequent um. Diese Entwicklung ist zu begrüßen, da bei den Untergerichten durchaus andere Stimmen zu hören sind (so z.B. das in diesem Fall vorbefasste Landgericht Mannheim oder auch das Landgericht Augsburg). Diese Stimmen bieten unserer Auffassung nach jedoch den Bewerteten nicht den Schutz, den die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ihnen zugesteht.
Fazit:
Das Urteil zeigt einmal mehr: manche Bewertungsplattformen wehren sich mit allen Mitteln dagegen, in die Verantwortung genommen zu werden. Ohne die Vertretung durch einen kundigen Anwalt wäre der Arzt mit seinem Anliegen wohl gescheitert. So hat Google zunächst nicht auf die Beschwerde reagiert, erst mit Erhebung einer Klage gab es die vom Arzt gewünschte und vom Recht vorgesehene Reaktion der Bewertungsplattform. Dass Google zunächst an einer Erledigung der Klage mitgewirkt hat, aber anschließend versuchte, sich vor der eigentlich selbstverständlichen Übernahme der Kosten zu drücken, spricht für sich.
Hinweis
In dieser Rubrik möchten wir über aktuelle Rechtsentwicklungen rund um Bewertungsportale berichten. Dabei geben die Artikel die Meinung der Verfasser zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Aufgrund der Dynamik des Rechtsgebiets kann es vorkommen, dass besprochene Urteile durch zu einem späteren Zeitpunkt ergangene Urteile überholt sind. Auch ist es möglich, dass unterschiedliche Gerichte zu ähnlichen Rechtsfragen unterschiedliche Urteile fällen, soweit es zu diesen keine eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt.
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