LG München I, Urteil vom 28. Mai 2013 (Az. 25 O 9554/13)
Ein Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie wurde auf jameda.de von einem Patienten mit der Durchschnittsnote 3,4 bewertet. In der Kategorie „Behandlung“ erhielt der Arzt die Teilnote 4. Die Bewertung war mit folgendem Kommentar versehen:
„Guter Arzt-windiger Geschäftemacher
Habe mir von … die Ohren Ende Dezember 2012 anlegen lassen und hierfür knapp 1.700,00 € bezahlt. Das kosmetische Ergebnis ist zufriedenstellend, die Ohren liegen ausreichend an und die Wundheilung verlief problemlos – … arbeitet also ordentlich und gewissenhaft. Meine Freunde wurde dadurch getrübt, dass ich erfahren habe, dass … unter dem Pseudonym … auf Plattformen im Internet seine Dienstleistung erheblich (ca. 700,00 €) günstiger anbietet, als (privat zahlenden) Patienten in einer Praxis. … Fazit: Guter Arzt, aber informiert euch vorher!“
Der Arzt verlangte von jameda.de die Löschung der Bewertung und beantragte eine entsprechende einstweilige Verfügung beim Landgericht München I. Die Benotung einer ärztlichen Leistung mit der Durchschnittsnote 3,4 werde vom Leser als unterdurchschnittliche Leistung wahrgenommen. Die Benotung sei als falsche Tatsachenbehauptung zu bewerten, da ihr sachfremde Erwägungen (Preisgestaltung) zugrunde liegen würden.
Jameda argumentierte, für den durchschnittlich informierten Nutzer sei aus der Kommentierung ohne Weiteres erkennbar, dass mit der vergebenen Note 4 für die Behandlung auch die weiteren Umstände der Behandlung, wie der Behandlungspreis, mitbenotet worden seien. Hinzu komme, dass im Freitext der Bewertung das kosmetische Ergebnis lediglich als zufriedenstellend beurteilt und vermerkt worden sei, dass die Ohren ausreichend anliegen würden. Diese Bewertung des Behandlungserfolges entspreche in Schulnoten übersetzt, allenfalls der Note 3 mit Tendenz Richtung Note 4.
Das LG München I hat jameda Recht gegeben und den Antrag auf einstweilige Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen Folgendes aus:
- Die Benotung ist zwar geeignet, den Arzt in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen, da die Äußerungen das berufliche Ansehen und den Ruf des Arztes in der Öffentlichkeit negativ tangieren. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung ist jedoch nicht rechtswidrig, denn eine Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arztes und der Meinungsfreiheit des Verfassers ergibt die Zulässigkeit der Äußerung.
- Bei der beanstandeten Benotung handelt es sich um eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung. Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich von Meinungsäußerungen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene, die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist (vgl. BVerfG, NJW 2000, 199).
- Der Ansicht des Arztes, dass der Autor bei der Benotung des Punktes „Behandlung“ lediglich die reine ärztliche Leistung bewerten dürfe, folgt das Gericht nicht. Es ergibt sich gerade aus dem Kommentar, was der Autor mitzugrundegelegt hat.
- Im Übrigen ergibt sich auch aus der rein medizinischen Beurteilung nicht, dass der Leistung eine Note 2 hätte gegeben werden müssen. Die Angabe, das kosmetische Ergebnis sei zufriedenstellend, die Ohren würden ausreichend anliegen, kann durchaus auch noch mit einer Note 4 in Einklang gebracht werden.
- Die beanstandete Benotung mit dem Kommentar ist durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt. Eine unsachliche Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung liegt nicht vor.
Fazit:
Nach Auffassung des Landgerichts München I muss sich die Bewertung der „Behandlung“ nicht ausschließlich auf die ärztliche Leistung beziehen. Es dürfen auch andere Aspekte (hier Preisgestaltung) mit bewertet werden, jedenfalls dann, wenn – wie im entschiedenen Fall – aus dem Kommentar eindeutig hervorgeht, was der Verfasser seiner Bewertung zugrunde gelegt hat.