Urteil des Kammergerichts, vom 7. März 2013 – 10 U 97/12
Zum Urteil der Vorinstanz: LG Berlin vom 05.04.12, 27 O 455/11 – Löschung diffamierender Bewertungen – „Vorsicht!!!!!!!!!!! der Fuscher!!!!“
Gründe
I.
Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die Darstellung des Tatbestandes in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Die Beklagte meint, das Landgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Eine Störerhaftung könne schon mangels Rechtsverletzung nicht angenommen werden. Prüfungspflichten habe sie, die Beklagte, nicht verletzt. Einen ausreichend konkreten Hinweis des Klägers habe es nicht gegeben. Nachforschungen seien unzumutbar. Bei dem streitgegenständlichen Erfahrungsbericht handele es sich zudem um eine Meinungsäußerung. Der Kläger müsse sich einer Kritik an seiner beruflichen Tätigkeit schließlich auch stellen. Die Beklagte ist weiter der Auffassung, der Tenor des angefochtenen Urteils gehe zu weit. Sie hafte auch nicht auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. April 2012 – 27 O 455/11 – zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 511 ZPO statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie lediglich hinsichtlich der vom Landgericht zuerkannten vorgerichtlichen Kosten teilweise Erfolg.
Das Landgericht hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. §§ 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu Recht bejaht. Die Beklagte haftet dem Kläger nach den vom Landgericht zutreffend dargestellten Grundsätzen der Haftung eines Host-Providers als Störerin auf Unterlassung.
Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Abmahnung des Klägers vom 17. Dezember 2010 so konkret gefasst, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer, d. h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung (vgl. ZUM-RD 2012, 82) bejaht werden konnte. Denn der Kläger hat darin, anders als noch in der ersten Abmahnung vom 28. Oktober 2010 nicht lediglich eine Persönlichkeitsrechtsverletzung behauptet, sondern den streitgegenständlichen Eintrag als „verleumderisch“ bezeichnet. In der der Abmahnung beigefügten eidesstattlichen Versicherung vom 21. November 2010 führt der Kläger aus, Operationen, für die der Eintrag zutreffen könnte, innerhalb eines für ihn erinnerbaren Zeitraums nicht durchgeführt zu haben. Einer weitergehenden Konkretisierung bedurfte es nicht, weil der Kläger hinreichend deutlich gemacht hat, den Eintrag als unwahr anzusehen.
Nach den vom BGH (ZUM-RD 2012, 82) entwickelten und vom Landgericht zu Recht angewandten Grundsätzen hätte es der Beklagten oblegen, eine Stellungnahme des Verfassers des Eintrags einzuholen. Ein Hostprovider ist zwar nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Host-Provider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch einen Nutzer hin, kann der Host-Provider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (vgl. BGH ZUM 2012, 566; ZUM 2004, 831; ZUM 2007, 646; ZUM 2007, 846; Urt. V. 17. August 2011 – I ZR 57/09). Wie der BGH (ZUM-RD 2012, 82) ausführt, hängt das Ausmaß des vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwands von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite. Regelmäßig ist danach zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Eintrag Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Dies hat die Beklagte nicht getan, so dass sie den Eintrag löschen musste, weil ebenso wie beim Ausbleiben einer Stellungnahme des für den Eintrag Verantwortlichen von der Berechtigung der Beanstandung des Klägers und damit von der Unwahrheit des Eintrags auszugehen ist.
Die Rechtsprechung des BGH (aaO.) ist entgegen der Auffassung der Beklagten auf den vorliegenden Fall übertragbar. Sie verstößt auch nicht gegen § 10 TMG. Dieser ist auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nicht anwendbar (vgl. BGH aaO.; ZUM 2012, 566; Roßnagel, Kommentar zum Recht der Telemediendienste, Rdnr. 61 zu § 10 TMG m. w. Nachw.). Die Beklagte handelt hier, ebenso wie bei dem Dienst X3. als Host-Provider, d. h. sie speichert fremde Informationen für einen Nutzer. Ob dies auf von Nutzern eingerichteten Webblogs oder auf dem von der Beklagten angebotenen Dienst X1. Maps geschieht, ist für die Frage, inwieweit die Beklagte für durch Dritte eingestellte Inhalte als Störerin haftet, unerheblich, mögen auch die genannten Dienste eine andere Zielrichtung haben und anders genutzt werden.
Soweit die Beklagte meint, es handele sich bei dem streitgegenständlichen Eintrag um eine dem Unterlassungsanspruch nicht zugängliche Meinungsäußerung, verfängt dies nicht. Zwar enthält der Eintrag wertende Elemente. Kern der darin getroffenen Aussage ist aber die Behauptung, der Kläger habe an den Armen und dem Gesäß des Verfassers des Eintrags eine „Behandlung“ durchgeführt, die zu Dellen geführt und herabhängendes Gewebe zurückgelassen hat. Ob dies den Tatsachen entspricht, ist dem Beweis zugänglich und damit eine Tatsachenbehauptung. Eine solche ist, wenn sie unwahr ist, nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Dass der Kläger durch Bestätigung seines Eintrags auf X1. Maps die Öffentlichkeit gesucht und sich in beruflichen Angelegenheiten einer Kritik grundsätzlich stellen muss, rechtfertigt ebenfalls nicht die Verbreitung unwahrer Tatsachen, auch wenn diese, wie die Beklagte betont, als Bewertung oder Erfahrungsbericht gekennzeichnet ist. Schließlich muss sich der Kläger auch nicht auf die Möglichkeit der Veröffentlichung einer Entgegnung auf den streitgegenständlichen Eintrag verweisen lassen.
Die Beklagte kann auch nicht damit durchdringen, dass die Anwendung der Rechtsprechung des BGH zur Providerhaftung zu überspannten Anforderungen führen würde. Dass die Einholung einer Stellungnahme des Verfassers eines Eintrags auf X1. Maps und die Prüfung der Beanstandung des Betroffenen einen unzumutbaren Aufwand darstellen würden, kann nicht angenommen werden. Die Beklagte, die mit ihren Dienst X1. Maps die Möglichkeit der Einstellung von Bewertungen geschaffen hat, musste von vornherein damit rechnen, dass es zu Beanstandungen kommt und hierfür entsprechende personelle und technische Kapazitäten bereitstellen.
Der Störerhaftung der Beklagte steht schließlich nicht entgegen, dass sie den Eintrag am 21. Februar 2011 entfernt hat. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist hierdurch die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
Der vom Landgericht erkannte Tenor geht auch nicht zu weit, weil er sich nicht auf ein bestimmtes Medium und einen bestimmten Dienst bezieht. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass sich etwa die Verbreiterhaftung des Druckers und der Vertriebsunternehmen in der Regel nicht auf die unzulässige Behauptung als solche bezieht, sondern nur auf die konkrete Wiedergabe der Behauptung in einer bestimmten Ausgabe der Druckschrift, erfolgt dies deswegen, weil Drucker und Vertriebsunternehmen bei periodischen Druckschriften andernfalls praktisch sämtliche Folgenummern daraufhin überprüfen müssten, ob sie eine Wiederholung der unzulässigen Darstellung enthalten (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Rdnr. 10.222 m. w. Nachw.). Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Denn die Beklagte verfügt nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers über hinreichende technische Möglichkeiten, die streitgegenständliche Äußerung aus ihrem Internetangebot herauszufiltern und damit eine sinngemäße Wiederholung zu erfassen.
Allerdings besteht eine Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten aus §§ 812 Abs. 1, 249 ff. BGB lediglich hinsichtlich der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung. Die Kosten des Abmahnschreibens sind mangels Rechtsverletzung nicht erstattungsfähig. Das Abmahnschreiben vom 17. Dezember 2010 löste, wie ausgeführt, Prüfungspflichten bei der Beklagten aus. Deren Verletzung begründet erst die Haftung der Beklagten. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag, wie sie im Wettbewerbsrecht vor der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 DWG bei berechtigten Abmahnungen angenommen wurde, liegt in Bezug auf das Abmahnschreiben ebenso, wenig vor wie die Voraussetzungen des § 286 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordert. Insbesondere liegt eine Abweichung von der Rechtsprechung eines obersten Gerichts oder eine sonstige Rechtsprechungsdivergenz nicht vor.