OLG Köln, Urteil vom 3. Mai 2011 (Az. 15 U 194/10)
In dem Hotel- und Restaurantführer „DER FEINSCHMECKER“ wurde ein Gourmetrestaurant folgendermaßen bewertet:
„Das traditionsreiche Gasthaus hat zwar eine schicke neue Lounge mit glasumrahmter Theke und blauem Lichtdesign, und die Holzterrasse ist im Sommer noch immer der beliebteste Platz. Dem holzgetäfelten Gourmetrestaurant täte eine Auffrischung allerdings ebenfalls gut. Die Variation von der Gänseleber mit Eis auf säuerlichem Himbeergelee, Mousse-Röllchen und einem arg festen Würfel in Schokolade hatte einen leicht bitteren Nachgeschmack, der Hummer auf Kalbskopf war dagegen nahezu aromafrei. Zum Maibock servierte der sehr altmodisch-steife Service („bitte sehr, gnädige Frau“) ein mehliges Haselnuss-Kartoffel-Püree, und auch das mächtige Soufflé mit Panna cotta zum Rhabarber-Dessert war ausdruckslos. Einziger Lichtblick: der geschmorte Schenkel vom Milchferkel auf Spitzkohl mit Kreuzkümmeljus. Und warum nach der Vorspeise die (trockenen) Brötchen im Brotkorb gegen ebenso trockene neue ausgetauscht wurden, haben wir auch nicht verstanden.“
Das Restaurant wurde von drei Feinschmeckerpunkten in der Vorausgabe auf zwei Feinschmeckerpunkte herabgestuft.
Gegen diese schlechte Restaurantkritik wendete sich der Restaurantbesitzer vor Gericht. Das LG Köln gab in erster Instanz dem „Feinschmecker“ Recht (Az. 28 O 652/10). Das OLG Köln entschied den Rechtsstreit dagegen wie folgt:
- Die Klägerin muss die von der Beklagten veröffentlichte schlechte Restaurantkritik in der streitgegenständlichen Ausgabe des Restaurantführers nicht hinnehmen.
- Bei den angegriffenen Äußerungen handelt es sich um Wertungen. Die Äußerungen bringen schwerpunktmäßig die von subjektiven geschmacklichen Einordnungen geprägte Beurteilung der das Restaurant aufsuchenden Testperson zum Ausdruck.
- Dem „Tester“ ist grundsätzlich ein weiter Spielraum auch für die Darstellung negativer Beurteilungen zu setzen, selbst wenn diese geeignet sind, sich schädigend auf das beurteilte Unternehmen bzw. dessen gewerblichen Betrieb auszuwirken.
- Ein Gewerbebetrieb muss sich der Kritik seiner Leistung stellen. Selbst eine gewerbeschädigende negative Kritik ist daher nicht allein schon aus diesem Grund äußerungsrechtlich unzulässig. Zur äußerungsrechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit kritischer Aussagen über getestete Waren und/oder Leistungen eines Unternehmens bedarf es vielmehr einer Güter- und Pflichtenabwägung, in deren Rahmen der Bedeutung des in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechtsschutzes auf freie Meinungsäußerung des Kritikers Rechnung zu tragen ist.
- Der angesprochene und erreichte Empfängerkreis vertraut hier auf die Objektivität des der zum Ausdruck gebrachten subjektiven Bewertung zugrundeliegenden Verfahrens bzw. der Art des Zustandekommens der Wertung. Vor dem Hintergrund dieser Erwartung ist derjenige, der sich auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung beruft, zu sorgfältiger Prüfung gehalten, ob er mit seiner Äußerung den Boden sachlich nicht gerechtfertigter Kritik verlässt. Die danach einzuhaltenden Sorgfaltsanforderungen werden dahin definiert, dass die der Veröffentlichung der Ergebnisse zugrundeliegende Untersuchung neutral, sachkundig und im Bemühen um Richtigkeit vorgenommen sein muss. Diesen Maßstäben hält die hier zu beurteilende Restaurantkritik nicht stand. Der Bericht der Testesserin, der unstreitig das Ergebnis eines einzigen Besuchs einer einzigen Person war, stellt keine hinreichend zuverlässige Tatsachengrundlage für die vorgenommene Abwertung dar.
Fazit:
Restaurantkritiker haben bei ihrer Beurteilung zwar grundsätzlich einen weiten Spielraum. Die Restaurantkritik muss aber neutral, sachkundig und im Bemühen um Richtigkeit vorgenommen werden.
Es handelt sich hier um eine Einzelfallentscheidung aus dem Bereich der hochpreisigen Gourmet-Gastronomie, in der eine schlechte Restaurantkritik in einschlägigen Führern existenzvernichtend sein kann.
Das Urteil lässt sich keinesfalls auf „normale“ Restaurantbewertungen von Gästen bei Google, tripadvisor & Co. übertragen. Diese sind grundsätzlich vom Schutz der Meinungsfreiheit gedeckt, solange keine falschen Tatsachen behauptet werden und es sich nicht um Beleidigungen oder Schmähkritik handelt.
Das Urteil des OLG Köln ist im Volltext hier abrufbar.