Landgericht Lübeck, Urteil vom 17. Juni 2011 (Az. 6 O 133/11)
Ein Mieter hielt die Betriebskostennachforderung einer Wohnungsbaugesellschaft für unberechtigt und veröffentlichte im Internet eine Reihe von Beiträgen über seine Vermieterin, in denen es unter anderem hieß,
- diese verübe Betrügereien, Erpressung und Nötigung,
- ihr müsse man das kriminelle Handwerk legen,
- sie sei eine Heuschrecke, die ihre Opfer aussauge,
- sie sei ein Sauverein,
- sie zocke die Miete ab.
Die Wohnungsbaugesellschaft setzte sich hiergegen gerichtlich zur Wehr. Sie verlangte die Löschung der Beiträge und machte geltend, sie sei durch die Äußerungen in ihrem allgemeinen Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt, weil darin eine unzulässige Schmähkritik liege oder unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt würden, welche sie verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet seien.
Das LG Lübeck entschied den Rechtsstreit wie folgt:
- Es besteht kein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Äußerungen. Diese stellen sich als zulässige Meinungsäußerung bzw. Werturteil dar, die dem Schutz des Grundrechts auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallen.
- Alle beanstandeten Äußerungen stehen in dem Kontext der Auseinandersetzung um die Berechtigung der Betriebskostennachforderungen und die Auszahlung der Mietsicherheit. Innerhalb dieses Rahmens, der durch Tatsachenbehauptungen bestimmt wird, sind die beanstandeten Äußerungen Ausdruck einer wertenden Kritik, mit der der Mieter seine subjektive Einstellung zu den von ihm geschilderten Vorgängen und Umständen kundtut. In ihnen stehen die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meines im Vordergrund. Das gilt auch, soweit der Mieter von Betrügereien, erpresserischen Methoden oder nötigenden Vorgehensweisen schreibt. Denn die Einstufung eines Vorgangs als strafrechtlich relevanter Tatbestand ist in der Regel nicht anders als Rechtsmeinungen im außerstrafrechtlichen Bereich zunächst nur die ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden. Nicht die dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung, Mitarbeiter der Wohnungsbausgesellschaft verübten Straftaten der benannten Art, sondern die subjektive Entrüstung des Mieters über die geschilderten Vorgänge und Umstände ist Inhalt seiner Äußerungen. Es handelt sich deshalb um eine Meinungsäußerung.
- Es liegt auch keine Schmähkritik vor. An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, nimmt die Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähung an, was auch in einer Formalbeleidigung der Fall sein kann. Immer dann, wenn die fragliche Äußerung in einem sachlichen Bezug getätigt wird, verbietet sich die Annahme einer Schmähkritik. Die Bezeichnung „Sauverein“ wird im Zusammenhang mit dem Vorwurf verwendet, dass die Sachbearbeitung bei der Vermieterin nicht ordnungsgemäß ablaufe. Es schwingt eine sachbezogene Kritik mit, die eine Formalbeleidigung entfallen lässt, bei der die Herabsetzung der Würde des anderen im Vordergrund steht. Dasselbe gilt für den Begriff der so genannten „Heuschrecke“, der sich aus der politischen Diskussion stammend im Sprachgebrauch weit verbreitet hat, um unternehmerisches Handeln zu kritisieren, das ohne Rücksicht auf wirtschaftlich Schwächere den eigenen Profit zu steigern sucht.
Fazit:
Im konkreten Fall ist die Bezeichnung eines Unternehmens als „Sauverein“ und „Heuschrecke“ noch als zulässige Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG anzusehen. Gleiches gilt für den Vorwurf der Begehung strafbarer Handlungen. Die Einstufung eines Vorgangs als strafrechtlich relevanter Tatbestand ist in der Regel nur die ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden.