Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Mai 2012 – 11 O 2608/12
Tatbestand:
Der Verfügungskläger ist als selbstständiger Zahnarzt in … tätig. Ein weiterer Zahnarzt mit dem Familiennamen … ist dort nicht niedergelassen. Die Verfügungsbeklagte betreibt unter der Internetadresse … ein Online-Portal. Hier besteht u. a. die Möglichkeit, Bewertungen, Erfahrungen und Beschreibungen betreffend die Leistung von Ärzten einzustellen und so den Nutzern des Portals zugänglich zu machen.
Am 14.7.2011 wurde um 13:22 Uhr bezüglich eines Zahnarztes … aus … folgende Bewertung in das von der Verfügungsbeklagten betriebene Online-Portal von einem lediglich der Verfügungsbeklagten namentlich bekannten Nutzer eingestellt:
»Dieser Arzt arbeitet leider nur nach Quantität, als auf Qualität zu setzen und ist ganz schnell mit Kronen-Einsetzen, obwohl es vielleicht noch gar nicht nötig wäre. Hatte durch Unfall einige Kronen bekommen, die leider für ihren Preis von mehreren Tausend EUR sehr schlecht im Mund eingearbeitet wurden, sodass ich seitdem immer Zahnfleischbluten habe und anfangs öfters die eine Krone verloren habe, bis ich zu einem anderen Arzt ging. Die Farbe der Keramik passt mit der Farbe meiner Zähne nicht überein, Implantate sind gegenüber meinen anderen Zähnen zu groß usw. – könnte hier jetzt noch mehr aufzählen, was ich mit diesem Arzt erlebt habe, aber diese würde das Ganze hier nur sprengen. Wenn ihr eure Zähne behalten wollt, dann geht woanders hin …«
Als Behandlungszeitraum nannte der Nutzer den Monat Juli 2011. Am 20.3.2012 forderte der Verfügungskläger gemäß Schreiben seines Prozessbevollmächtigten die Firma …, die im Impressum des Online-Portals angegeben war, auf, die ihn betreffende Bewertung vollständig zu löschen. Die Verfügungsbeklagte, die mittlerweile das Online-Portal unter der Adresse … betreibt, fragte daraufhin bei ihrem Kunden, dem Verfasser des Beitrags, unter Hinweis auf die Rüge des Verfügungsklägers per E-Mail vom 21.3.2012 nach, ob sich die Angelegenheit so zugetragen habe, wie in dem strittigen Beitrag dargelegt. Der Verfasser antwortete am 22.3.2012 per E-Mail wie folgt: »Hallo, ja, der Sachverhalt hat sich so zugetragen! MFG«. Die Verfügungsbeklagte teilte dies dem Verfügungskläger am 28.3.2012 mit, löschte aber den Satz »Wenn ihr eure Zähne behalten wollt, dann geht woanders hin …«. Zugleich erklärte sie, dass dies ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geschehe. Im Übrigen ist der streitgegenständliche Beitrag bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in dem von der Verfügungsbeklagten betriebenen Online-Portal veröffentlicht. Innerhalb von neun Monaten seit der Veröffentlichung erfolgten 74 Zugriffe auf die streitige Bewertung. Der Verfügungskläger behauptet, er habe erst am 16.3.2012 von der Bewertung erfahren. Nach Sichtung seiner Patientenakten könne er mit Sicherheit ausschließen, im Jahr 2011 Patienten behandelt zu haben, die infolge eines Unfallereignisses »einige Kronen« und/oder Implantate erhalten hätten. Er sei von keinem seiner Patienten auf derartige Beschwerden angesprochen worden. Seine Patienten seien mit der von ihm und seinen Mitarbeitern geleisteten Arbeit zufrieden gewesen. Da er nur 30 bis 40 Implantate im Jahr setze, handle es sich um eine überschaubare Anzahl, sodass er ausschließen könne, dass er einen derartigen Patienten, insbesondere im angegebenen Behandlungszeitraum, behandelt habe. Die auf … eingestellte Bewertung sei daher »vollständig fiktiv«. Der Verfügungskläger meint, es handle sich bei dem Beitrag um Tatsachenbehauptungen und nicht um Meinungsäußerungen. Ihm stünde ein Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte als Hostprovider gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog), §§ 824, 823 Abs. 1 BGB zu.
Der Verfügungskläger beantragt:
- Der Antragsgegnerin wird verboten, zu behaupten, behaupten zu lassen oder hierfür eine Plattform zur Verfügung zu stellen, der Antragsteller arbeite »nur nach Quantität, als auf Qualität zu setzen«, er sei »ganz schnell mit Kronen-Einsetzen, obwohl es vielleicht noch gar nicht nötig wäre«, er hätte Kronen eingesetzt, die sehr schlecht im Mund eingearbeitet wurden, sodass es beim Patienten zu Zahnfleischbluten käme und die Kronen herausfielen, er setze Keramik ein, deren Farbe nicht zur Farbe der Zähne des Patienten passe und/oder er setze zu große Implantate ein.
- (…) Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag abzulehnen. Sie behauptet, der Verfügungskläger habe schon viel früher von der Bewertung erfahren. Es sei anzunehmen, dass dieser aufgrund eines Vorfalles im Jahr 2011 bereits zuvor gelegentlich das Portal kontrolliert habe. Die Verfügungsbeklagte meint, es bestehe keine Löschungspflicht, da es sich um eine geschützte Meinungsäußerung handle. Im Übrigen habe sie die zumutbaren Prüfungspflichten eingehalten, ein Anspruch gegen sie nach den vom Bundesgerichtshof zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen bestehe nicht. Rechtsprechung ZUM 1/2013 71
Entscheidungsgründe:
Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.
I.
Der Antrag ist zulässig.
Insbesondere ist das Landgericht Nürnberg-Fürth örtlich und sachlich als Gericht der Hauptsache für den vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zuständig (§§ 937 Abs. 1, 32 ZPO bzw. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG).
II.
Der Antrag ist auch begründet, denn der Verfügungskläger verlangt die begehrte Unterlassung von der Verfügungsbeklagten zu Recht. Er hat die Tatsachen, aus denen sich sowohl ein Verfügungsanspruch (unten 1.) als auch der Verfügungsgrund (unten 2.) ergibt, ausreichend glaubhaft gemacht.
1.
Dem Verfügungskläger steht ein Verfügungsanspruch zu.
Er kann sein Unterlassungsbegehren zwar nicht auf § 824 BGB stützen. Denn insoweit hat er – was entgegen seiner Auffassung hier Anspruchsvoraussetzung wäre – nicht hinreichend dargetan und im Übrigen auch nicht glaubhaft gemacht, dass sich aufgrund der gerügten Bewertung bereits Patienten bei ihm abgemeldet oder von einer (Neu-)Anmeldung bei ihm abgesehen haben (OLG Nürnberg, Urt. v. 13.4.2010 – 3 U 2135/09 [zitiert nach juris, dort Rn. 6 ff.]).
Allerdings steht dem Verfügungskläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
Der Schutzbereich des § 1004 BGB umfasst neben sämtlichen absoluten Rechten auch die in § 823 BGB geschützten Rechtsgüter, so auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Daher ist aus §§ 823, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch eine Gesamtanalogie zu bilden (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Aufl. 2011, Einf. v. § 823 Rn. 18, § 1004 Rn. 4).
Der Verfügungskläger ist auch nicht allein deshalb grundsätzlich daran gehindert, sich auf diesen Anspruch zu berufen, weil er mit anderen Zahnärzten in Wettbewerb steht (so aber offenbar OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 8.3.2012 – 16 U 125/11 [zitiert nach juris, dort Rn. 27]). Dann liefe nämlich der Schutz des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Bezug auf ehrbeeinträchtigende, damit letztlich auch geschäftsschädigende unzutreffende Tatsachenbehauptungen leer. Denn nahezu alle Gewerbetreibenden stehen in Wettbewerb zu Konkurrenten am Markt. Zwar ist die Verfügungsbeklagte unstreitig nicht als Urheberin bzw. Verfasserin der streitgegenständlichen Bewertung anzusehen und daher auch als solche nicht zur Unterlassung verpflichtet.
Weiterhin ergibt sich die Unterlassungspflicht auch nicht aus § 10 Satz 1 Telemediengesetz (TMG). Die Verfügungsbeklagte hält zwar als Diensteanbieter nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 TMG Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG zur Nutzung bereit. Sie unterhält die Website … und speichert die Beiträge von Nutzern zum Zwecke des Abrufs. Die Beklagte fungiert damit als Hostprovider. Denn so werden Anbieter im Internet definiert, die fremde Inhalte auf ihren Webservern für andere Nutzer bereithalten. Die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 TMG gilt aber nicht für Unterlassungsansprüche (BGH ZUM 2007, 533). Denn wie sich aus § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG und dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung ergibt, betrifft § 10 TMG lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung (BGH aaO.).
Gleichwohl ist die Verfügungsbeklagte zur Löschung der gerügten Bewertung nach den Grundsätzen der sogenannten Störerhaftung verpflichtet.
a) Die Störerhaftung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind (BGH ZUM 2007, 846 Rn. 36). Als (Mit-)Störer kann grundsätzlich jeder haften, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, auf eine Kenntnis oder gar ein Verschulden des Dritten kommt es dabei nicht an (BGHZ 158, 236 ff., 251). Indem die Verfügungsbeklagte die Website … betreibt, dabei den Speicherplatz für die von den Nutzern verfassten Beiträge bzw. Bewertungen bereitstellt und den Abruf dieser Webseite über das Internet ermöglicht, trägt sie willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung von Äußerungen bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen können.
b) Die Störerhaftung darf jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, eine Prüfung zuzumuten ist (BGH ZUM-RD 2012, 82 Rn. 22). So verletzt allein die Bereitstellung eines Internetforums regelmäßig keine Verkehrssicherungspflichten, weil es dem Betreiber grundsätzlich nicht zumutbar sein dürfte, jedes Angebot bzw. jeden Beitrag vor Veröffentlichung auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen (BGH, Urt. v. 17.12.2010 – 7 U 70/09 [Anm. d. Red.: gemeint ist wohl V ZR 44/10], zitiert nach www.bundesgerichtshof.de, dort Rn. 17). Allerdings ist der Betreiber eines Internetforums, der – wie hier – lediglich als technischer, nicht auch als intellektueller Verbreiter des angegriffenen Inhalts in Erscheinung tritt, dann zur unverzüglichen Sperrung bzw. Entfernung eines von einem Dritten eingestellten Beitrages verpflichtet, sobald er von der Rechtswidrigkeit Kenntnis erlangt (BGH ZUM 2007, 533 Rn. 5, 9). Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch einen Nutzer/Kunden hin, kann der Hostprovider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (BGHZ 158, 236 ff., 252). Dies steht in Einklang mit den Maßstäben, die der Gerichtshof der Europäischen Union und der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Betreibern eines Internetmarktplatzes für Markenrechtsverletzungen aufgestellt haben (vgl. hierzu BGH ZUM-RD 2012, 82 Rn. 24).
Weil sich aber bei der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten eine Rechtsverletzung nicht stets ohne Weiteres feststellen lässt, ist eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit sowie Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit geboten (BGH aaO. Rn. 25). Damit aber ein Gericht bei einer solchen Abwägung überhaupt zu einem zu Gunsten des Betroffenen sprechenden Ergebnis gelangen kann, ist grundlegende Voraussetzung, dass es sich überhaupt um eine Tatsachenbehauptung, die im Falle ihrer Unwahrheit zu einer rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung führen kann, handelt und nicht nur um eine bloße, von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckte Meinungsäußerung.
c) Bei den vom Verfügungskläger gerügten Äußerungen handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, nicht nur um eine bloße Meinungsäußerung. Maßgebliches Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen ist das Merkmal der Beweisbarkeit (BVerfG ZUM-RD 2003, 298; BGH NJW 1994, 2614 f.).
Meinungsäußerungen sind geprägt durch Elemente des Meinens und Dafürhaltens, sie können nicht positiv nachgewiesen, sondern nur durch Überzeugungsarbeit plausibel gemacht werden. Auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, kann sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird (LG Berlin ZUMRD 2009, 396). Wo Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, wird grundsätzlich der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst. Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Werturteil und Meinungsäußerung in vollem Umfang vom genannten Grundrecht geschützt (LG Berlin ZUM-RD 2009, 396).
Im Fall einer derart engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung darf der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird (BGH NJW 1996, 1131 ff.). Maßgebend für die rechtliche Beurteilung der Äußerung ist zunächst das Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers (BGH NJW 1982, 2246 f.). Dabei kommt es für das Verständnis über die Bedeutung, den Aussagegehalt und das Gewicht einer Äußerung nicht allein auf deren Wortlaut und auf deren Betrachtung losgelöst von ihrem Hintergrund an. Vielmehr ist die Äußerung im Zusammenhang und unter Berücksichtigung ihrer zugleich mitgeteilten Umgebung zu sehen, in die sie gestellt ist. Denn es ist dieser Kontext, der ihren Inhalt prägt und damit ihr Verständnis bestimmt (KG, Urt. v. 9.3.1993 – 9 U 714/92 [zitiert nach juris]).
Gemessen an diesen Grundsätzen sind die vom Verfügungskläger gerügten Äußerungen in der von der Verfügungsbeklagten verbreiteten Bewertung als Tatsachenbehauptungen, nicht als bloße Meinungsäußerung zu bewerten. So ist – entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten – nicht bereits durch den räumlichen Zusammenhang des gerügten Fließtextes mit der notenmäßigen Beurteilung, die auch zur Überzeugung der Kammer eine von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung darstellt, eine einheitliche Meinungsäußerung gegeben. Denn nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers soll der Fließtext gesondert die notenmäßige Beurteilung begründen, und dies geschieht durch die Darstellung von Tatsachen bezogen auf die – angeblich – im Juli 2011 durchgeführte zahnärztliche Behandlung. Es ist danach auch keine derart enge Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und der vorangestellten Bewertung gegeben, dass der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit es erlaubte, durch die notenmäßig bezifferte, von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckte Meinungsäußerung eventuell rechtswidrige Tatsachenbehauptungen zu schützen.
Vorliegend stehen die im Nachgang zur notenmäßigen Bewertung getroffenen Tatsachebehauptungen im Vordergrund. Diese geben dem unbefangenen Durchschnittsempfänger die maßgebliche Orientierung und begründen die zuvor erteilte Note. Die gerügten Äußerungen sind sämtlich dem Beweis zugänglich. Die gerügten Äußerungen, – der Antragsteller arbeite »nur nach Quantität, als auf Qualität zu setzen«, – er sei »ganz schnell mit Kronen-Einsetzen, obwohl es vielleicht noch gar nicht nötig wäre«, – er hätte Kronen eingesetzt, die sehr schlecht im Mund eingearbeitet wurden, sodass es beim Patienten zu Zahnfleischbluten käme und die Kronen herausfielen, – er setze Keramik ein, deren Farbe nicht zur Farbe der Zähne der Patienten passe, und/oder – er setze zu große Implantate ein, sind – bezogen auf eine konkrete zahnärztliche Behandlung, so sie denn stattgefunden hat – im Rahmen einer Begutachtung durch einen zahnärztlichen Sachverständigen zu klären.
Die Fragen, die der Sachverständige im Rahmen einer Begutachtung, z. B. auch im Rahmen eines zivilrechtlichen Arzthaftungsprozesses, zu beantworten hätte, wären darauf gerichtet, ob die Behandlung durch den Verfügungskläger ohne ärztlichen Kunstfehler erfolgte, also indiziert war, fehlerfrei durchgeführt und auch ordnungsgemäß abgerechnet wurde. Käme der Sachverständige dann zu dem für den Verfügungskläger günstigen Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler nicht vorliegt, d. h. seine konkrete ärztliche Behandlung dem anerkannten und gesicherten Standard der ärztlichen Wissenschaft entsprach, er also nach den Erkenntnissen der ärztlichen Wissenschaft unter den jeweiligen Umständen die objektiv erforderliche Sorgfalt nicht außer Acht ließ (BGH NJW 1983, 2080; OLG Hamm NJW 2000, 1801; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl. 2009, B. I. Rn. 2), wäre damit auch geklärt, dass der Verfügungskläger anlässlich der der Bewertung zu Grunde liegenden Behandlung nicht sein wirtschaftliches Interesse in den Vordergrund gestellt hat.
Dieser Wertung der Kammer der gerügten Äußerungen als Tatsachenbehauptungen entspricht – worauf es zwar letztlich gar nicht ankommt, aber zumindest bemerkenswert erscheint – im Übrigen auch der vorgerichtlichen Einschätzung der Verfügungsbeklagten.
d) Nachdem die Verfügungsbeklagte als verantwortlicher Hostprovider mit einer Beanstandung des Verfügungsklägers als Betroffenem gemäß Schreiben dessen Prozessbevollmächtigten vom 20.3.2012 konfrontiert worden war, die – wie hier bei einer Tatsachenbehauptung – richtig oder falsch sein kann, hätte sie eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für die Bewertung Verantwortlichen vornehmen müssen (BGH ZUM-RD 2012, 82 Rn. 25). Das Ausmaß des insoweit von der Verfügungsbeklagten zu verlangenden Prüfungsaufwandes hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite (BGH aaO. Rn. 26).
Dabei trifft den Betroffenen zunächst – um eine Prüfpflicht überhaupt bzw. in substantiierter Form auszulösen (OLG Hamburg, Urt. v. 2.3.2010 – 7 U 70/09 [zitiert nach juris, dort Rn. 99]) – die Verpflichtung, seine Beanstandung seinerseits zu substantiieren (BGH aaO. Rn. 27). Diese erweiterte Darlegungslast gilt selbst – wie hier – in Fällen behaupteter ehrbeeinträchtigender Tatsachenbehauptungen, für die an sich der Verbreiter analog § 186 StGB die Beweislast trägt (OLG Hamburg aaO.).
Diesen Anforderungen wird die vorgerichtliche Beanstandung des Verfügungsklägers gerecht. Er hat der Verfügungsbeklagten substantiiert mitgeteilt, worauf sich seine Beanstandung gründet. Der Hinweis des Verfügungsklägers war unter Berücksichtigung seiner ärztlichen Schweigepflicht so konkret als möglich. Er machte zur Überzeugung der Kammer insbesondere glaubhaft, dass er seine Patientenunterlagen durchgesehen und keinen Patienten ermittelt habe, bei dem er im angegebenen Zeitraum »Juli 2011« eine entsprechende Behandlung durchgeführt hat. Der Rechtsverstoß konnte auf der Grundlage der substantiierten Behauptungen des Verfügungsklägers auch unschwer, d. h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, bejaht werden (BGH aaO. Rn. 26). Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) schützt den Einzelnen u. a. in seinem Ansehen, seiner Ehre und damit die soziale Anerkennung des Einzelnen, insbesondere auch gegen Äußerungen, die sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auswirken können, d. h. eine Herabsetzung enthalten (Palandt, § 823 Rn. 110). Dass dies – die Richtigkeit des glaubhaft gemachten Vortrages des Verfügungsklägers unterstellt – zutrifft, liegt auf der Hand. Denn die hier in Streit stehenden Tatsachenbehauptungen stellen den Verfügungskläger als fachlich inkompetenten Zahnarzt dar, der eigene wirtschaftliche Interessen vorrangig verfolgt und hierbei das berechtigte Interesse seiner Patienten an einer dem zahnärztlichen Standard entsprechenden Behandlung außer Acht lässt. Dies machte der Verfügungskläger in Bezug auf die gerügten Teile der Bewertung letztlich auch bereits vorgerichtlich gegenüber der Verfügungsbeklagten geltend. Allein der Unterschied in der Nennung des Vornamens – statt … wird in der Bewertung … genannt – vermag hieran nichts zu ändern, da lediglich ein Zahnarzt mit dem Familiennamen … in … praktiziert und der Verfügungskläger damit eindeutig identifizierbar ist.
e) Die Verfügungsbeklagte hat daraufhin – was regelmäßig zunächst erforderlich ist (BGH aaO. Rn. 27) – die Beanstandung des Betroffenen an den für den Beitrag Verantwortlichen zur Stellungnahme weitergeleitet. So hat die Verfügungsbeklagte – glaubhaft gemacht und unbestritten, § 138 Abs. 3 ZPO – den Verfasser der Bewertung per E-Mail zu der Beanstandung des Verfügungsklägers unter Hinweis auf dessen Rüge per E-Mail vom 21.3.2012 danach befragt, ob sich die Angelegenheit so zugetragen habe, wie in dem strittigen Beitrag dargelegt. Der Verfasser antwortete daraufhin am 22.3.2012 per E-Mail wie folgt: »Hallo, ja, der Sachverhalt hat sich so zugetragen! MFG«. Die Verfügungsbeklagte teilte dies dem Verfügungskläger am 28.3.2012 mit. Sie hat damit aber ihrer Prüfpflicht nicht Genüge getan. Denn nur dann, wenn der für den Beitrag verantwortliche Verfasser die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede stellt und sich daraus berechtigte Zweifel an der Darstellung des Betroffenen ergeben, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und berechtigt, ggf. (weitere) Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt (BGH aaO. Rn. 27).
Solche Nachweise hatte der Verfügungskläger auf die Mitteilung der Verfügungsbeklagten allerdings hier nicht zu erbringen. Denn er hatte der Verfügungsbeklagten bereits vorab substantiiert mitgeteilt, worauf sich seine Beanstandung gründet. Die Verfügungsbeklagte hat hierauf in ihrem Schreiben an den Verfasser des Beitrages dann die Antwort auf ihre Anfrage bereits vorformuliert (»… Dies würden wir nur ungern tun. Dennoch können wir bei einer Tatsachenbehauptung die Bewertung nur stehen lassen, wenn wir uns nochmals davon überzeugen, dass der Sachverhalt sich so wie beschrieben zugetragen hat …«), hätte sich aber mit der – zu erwartenden – lapidaren Antwort des Beitragsverfassers »Hallo, ja, der Sachverhalt hat sich so zugetragen! MFG« auch und insbesondere unter Berücksichtigung der ärztlichen Schweigepflicht des Verfügungsklägers nicht begnügen dürfen. Sie hätte vor dem Hintergrund dessen substantiierten Bestreitens vielmehr bei ihrem Kunden einen geeigneten Nachweis für die Durchführung der von diesem behaupteten Behandlung, z. B. durch Vorlage einer – teilweise unkenntlich gemachten – Honorarrechnung des Verfügungsklägers, aus der die gegenständliche Implantatversorgung ersichtlich wird, fordern müssen. Dies hat sie nicht getan, obwohl ihr dies auch unter Berücksichtigung des berechtigten und durch § 13 Abs. 6 TMG gesetzlich niedergelegten Anonymisierungsinteresses (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 8.3.2012 – 16 U 125/11 [zitiert nach juris, dort Rn. 29]) rechtlich möglich sowie unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Rechtsposition des Verfügungsklägers auch tatsächlich möglich und zumutbar gewesen wäre. Aktuell hat der Verfügungskläger danach glaubhaft gemacht, dass eine Rechtsverletzung gegeben ist, die Verfügungsbeklagte hat durch ihre nur sehr beschränkten Nachforschungen ihren Nachforschungspflichten nicht Genüge getan und auf dieser Grundlage an der vorgerichtlichen, ihr gegenüber erfolgten substantiierten Darstellung des Verfügungsklägers keine begründeten Zweifel hegen können.
Daher ist ein Verfügungsanspruch auf der Grundlage der sogenannten Störerhaftung gegeben.
f) Die Haftung der Verfügungsbeklagten entfiele im Übrigen auch dann nicht, wenn dem Verfügungskläger – wie hier nicht – die Identität des Verfassers der streitgegenständlichen Bewertung bekannt wäre. In einem solchen Fall tritt die Haftung des Forenbetreibers als »Herr des Angebotes« neben diejenige des Autors (BGH ZUM 2007, 533 Rn. 13).
2.
Auch ein Verfügungsgrund liegt vor, die hierfür erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben.
Grundsätzlich begründet eine begangene Rechtsverletzung (vgl. hierzu oben II. 1.) eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (BGH NJW 1994, 2614 ff., 2616; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, S. 826 Rn. 8). Daher ist grundsätzlich vom Fortbestand der Wiederholungsgefahr auszugehen, wenn der Störer die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert (OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.8.2011 – 3 U 1243/11, dort Rn. 6.; Wenzel, aaO., S. 830 Rn. 17). Allerdings besteht Wiederholungsgefahr ausnahmsweise dann nicht mehr, wenn sich nachträglich die Unwahrheit der Behauptung herausstellt und nichts mehr dafür spricht, dass der Störer die frühere, inzwischen widerlegte Behauptung wiederholt (Löffler/ Ricker, S. 376 Rn. 4 ff.). Es genügt dafür allerdings nicht das bloße tatsächliche Unterlassen als solches oder das bloße Versprechen, die beanstandete Behauptung nicht mehr zu wiederholen (OLG Nürnberg aaO.). An den Nachweis des Wegfalls der Wiederholungsgefahr sind dabei strenge Anforderungen zu stellen (BGH NJW 1994, 1281). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier allerdings nicht vor. Die Verfügungsbeklagte hat zwar die vom Verfügungskläger gerügte Bewertung vor Einleitung des vorliegenden Verfügungsverfahrens teilweise geändert. Hierauf bezieht sich aber der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht. Die mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerügte Bewertung ist nach wie vor – trotz der gegenteiligen Aufforderung des Verfügungsklägers gemäß Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20.3.2012 – online in dem von der Verfügungsbeklagten betriebenen Portal einsehbar. Die Verfügungsbeklagte hat mit E-Mail-Schreiben vom 28.3.2012 eine weitergehende Löschung abgelehnt. Damit besteht nicht nur die Gefahr einer Wiederholung, vielmehr setzt die Verfügungsbeklagte ihr aktuell als rechtswidrig einzustufendes Verhalten derzeit sogar fort. Der Verfügungsgrund ist auch nicht aufgrund Zeitablaufs – wie von der Verfügungsbeklagten vermutet – ausgeschlossen. Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, dass er erst am 16.3.2012 von den gerügten Tatsachenbehauptungen Kenntnis erlangt hat. Danach ist er auf die sofortige Erfüllung der begehrten Unterlassung nach wie vor dringend angewiesen (Zöller, Zivilprozessordnung, 28. Aufl. 2010, § 940 Rn. 6).