Landgericht Koblenz, Urteil vom 14.01.2021(9 O 80/20)
Auch bei Wikipedia gilt: Lügen haben kurze Beine! Das Landgericht Koblenz hat in einem interessanten Fall über falsche und verzerrende Einträge in der Online-Enzyklopädie Wikipedia entschieden.
Der Fall
Der Fall drehte sich um den Artikel, der über einen Komponisten in der Online-Enzyklopädie Wikipedia eingestellt war. Der Komponist musste feststellen, dass der Artikel mehrfach von einem anonymen Redakteur bearbeitet wurde. Der Redakteur fügte im Rahmen der Bearbeitung falsche Tatsachenbehauptungen in den Eintrag ein. Er änderte den Artikel auch in Bezug auf wahre Begebenheiten in einer Art und Weise, die in der Gesamtbetrachtung als unsachlich, negativ verzerrend und bewusst einseitig zu Lasten des Komponisten zu bewerten waren. Der Redakteur, der sich selber scheinbar als „politischer Aktivist“ versteht, verfolgte offenbar das Ziel, den Beklagten in ein negatives Licht zu stellen.
Der durch den Redakteur manipulierte Eintrag war auf der Plattform Wikipedia der Öffentlichkeit zugänglich. Wer den Namen des Komponisten mit der Suchmaschine Google suchte, dem wurde der Eintrag als erste Fundstelle und Informationsquelle über den Komponisten angezeigt. Aufgrund des Eintrags erlitt der Komponist schwerwiegende Nachteile in seinem geschäftlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen und persönlichen Ansehen, er erhielt Absagen von Kunden und Dienstleistern.
Der Komponist wehrte sich durch eine Strafanzeige und erwirkte, nachdem er die Identität des Redakteurs ermitteln konnte eine Unterlassungsverfügung. Im Anschluss erhob er Klage gegen den Redakteur und verlangte Schadensersatz für die Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts, die der Redakteur mit der Vielzahl an Unterstellungen und Schmähungen begangen habe.
Das Gericht gab dem Komponisten recht und verurteilte den Redakteur. Er muss dem Komponisten Schadensersatz leisten.
Unsere Einschätzung
Das Landgericht Koblenz hat sich die Entscheidung nicht leichtgemacht und eine abgewogene und sorgfältig begründete Entscheidung erlassen. Sie ist sowohl in der Sache zu begrüßen als auch rechtlich gut nachvollziehbar.
Das Gericht betont im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass niemand – auch der Komponist nicht – einen Anspruch darauf habe, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nicht vor unangenehmer Kritik. Das gilt gerade dann, wenn der Kritisierte – wie hier der Komponist – selbst aktiv am öffentlichen Diskurs teilnimmt und selbst unter Umständen kontroverse Meinungen vertritt. Es bedarf immer einer Abwägung im Einzelfall, ob die Grenze einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts überschritten wird.
Vorliegend hat das Gericht den Sachverhalt abgewogen und ist zu dem Schluss gekommen, dass das Verhalten des Redakteurs die Rechte des Komponisten verletzt. Der Redakteur hat den Komponisten in unangemessener, verzerrender Weise in ein falsches Licht gestellt. Er hat vorsätzlich und schuldhaft gehandelt, mit der offenbaren Absicht, die Wahrnehmung des Komponisten in der Öffentlichkeit in seinem Sinn zu manipulieren und nachhaltig herabzusetzen.
Beachtlich ist, dass das Gericht auch einen Schadensersatzanspruch in Geld zuerkannt hat. Beachtlich deswegen, weil dieser hier auf einem immateriellen Schaden beruht und nicht auf einer konkreten Vermögenseinbuße des Komponisten. Auf dieser Basis wird ein Schadensersatz nur zuerkannt, wenn dies angesichts der Schwere der Verletzung erforderlich erscheint, um dem Geschädigten Genugtuung für die Verletzung zu geben und er der Prävention zukünftiger Verletzungen durch den Schädiger dient. Diese Erfordernisse sah das Gericht als gegeben an. Es berief sich in seiner Begründung auch darauf, dass der Redakteur in ähnlichen Fällen ähnlich gehandelt und gleichermaßen verurteilt worden war.
Fazit
Falsche Tatsachenbehauptungen genießen keinen rechtlichen Schutz. Dies gilt für alle Bewertungsportale, erst recht auch für die sich ihrer Objektivität rühmenden Online-Enzyklopädie Wikipedia.
Wer andere mit Lügen diffamiert oder bewusst und gewollt Tatsachen so verdreht, dass ein manipuliertes, falsches Bild eines Menschen in der Öffentlichkeit entsteht muss damit rechnen, nicht ungeschoren davon zu kommen. Der Komponist hat sich gegen die von einem selbsternannten „politischen Aktivisten“ gegen ihn geführte Schmutzkampagne erfolgreich auf allen verfügbaren Ebenen gewehrt. Es ist gut und richtig, dass er damit Erfolg gehabt hat!
Hinweis
In dieser Rubrik möchten wir über aktuelle Rechtsentwicklungen rund um Bewertungsportale berichten. Dabei geben die Artikel die Meinung der Verfasser zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Aufgrund der Dynamik des Rechtsgebiets kann es vorkommen, dass besprochene Urteile durch zu einem späteren Zeitpunkt ergangene Urteile überholt sind. Auch ist es möglich, dass unterschiedliche Gerichte zu ähnlichen Rechtsfragen unterschiedliche Urteile fällen, soweit es zu diesen keine eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt.
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