BGH, Urteil vom 19. März 2015 (Az. I ZR 94/13)
Ein Hostel in Berlin hatte eine schlechte Bewertung auf HolidayCheck bekommen. Unter der Überschrift „Für 37,50 € pro Nacht gabs Bettwanzen“ wurde unter anderem behauptet
- die Matratze habe aus ca. 4 cm Schaumstoff bestanden,
- sauber sei nur das Badezimmer gewesen,
- die Zimmer bzw. Betten seien mit Bettwanzen befallen gewesen,
- eine Mitarbeiterin des Hostels habe behauptet, dass dies schon mal vorkomme,
- die verseuchten Zimmer seien (erst) auf mehrmalige telefonische Nachfrage geschlossen worden,
- das Zimmer sei mit einem Fernseher anno 1991 ausgestattet gewesen,
- das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt, da bei Beschädigung 50,00 EUR gezahlt werden müssten.
Die Betreiber des Hostels mahnten den Portalbetreiber ab, woraufhin die Bewertung auf HolidayCheck aus dem Portal entfernt wurde. Die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie die Übernahme der Kosten der Abmahnung lehnte HolidayCheck ab.
Daraufhin erhoben die Betreiber des Hostels Klage gegen HolidayCheck auf Unterlassung der Äußerungen. Es liege eine unlautere Anschwärzung gemäß § 4 Nr. 8 UWG vor.
Der BGH entschied den Rechtsstreit in letzter Instanz wie folgt:
-
Zwischen dem Betreiber eines Hotels und dem Anbieter eines Online-Reisebüros, das mit einem Hotelbewertungsportal verknüpft ist, besteht im Hinblick auf den Betrieb des Hotelbewertungsportals ein konkretes Wettbewerbsverhältnis iSd § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Zwischen der vorteilhaften Wirkung des Hotelbewertungsportals für die Attraktivität des Online-Reisebüros und dem Absatznachteil, der einem Hotelbetreiber aus einer im Bewertungsportal verzeichneten negativen Hotelbewertung zu erwachsen droht, besteht eine für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses hinreichende Wechselwirkung in dem Sinne, dass der Wettbewerb des Online-Reisebüros gefördert und derjenige des Hotelbetreibers beeinträchtigt werden kann.
-
Der Betreiber eines Hotelbewertungsportals macht sich erkennbar von Dritten in das Portal eingestellte Äußerungen nicht iSd § 4 Nr. 8 UWG als Tatsachenbehauptung zu eigen, wenn er die Äußerungen nicht inhaltlich-redaktionell aufbereitet oder ihren Wahrheitsgehalt überprüft, sondern die Anwendung eines automatischen Wortfilters sowie gegebenenfalls eine anschließende manuelle Durchsicht lediglich dem Zweck dienen, gegen die Nutzungsbedingungen verstoßende Einträge (etwa Formalbeleidigungen oder von Hotelbetreibern abgegebene Eigenbewertungen) von der Veröffentlichung auszuschließen. Eine inhaltlich-redaktionelle Bearbeitung stellt es mangels inhaltlicher Einflussnahme nicht dar, wenn die von Nutzern vergebenen „Noten“ durch die Angabe von Durchschnittswerten oder einer „Weiterempfehlungsrate“ statistisch ausgewertet werden.
-
Durch die Aufnahme von Äußerungen Dritter in ein Hotelbewertungsportal werden fremde Tatsachenbehauptungen nicht iSd § 4 Nr. 8 UWG „verbreitet“, sofern der Betreiber des Portals seine neutrale Stellung nicht aufgibt und spezifische Prüfungspflichten nicht verletzt. Der Betreiber verlässt seine neutrale Stellung nicht, wenn er Nutzerangaben statistisch auswertet oder einen Wortfilter sowie gegebenenfalls eine manuelle Nachkontrolle einsetzt, um die Einhaltung der Nutzungsbedingungen sicherzustellen. Spezifische Prüfungspflichten verletzt der Betreiber einer Internet-Bewertungsplattform erst, wenn er – nachdem er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist – die betroffene Angabe nicht unverzüglich sperrt und keine Vorsorge trifft, dass sie auch zukünftig unterbleibt.
- Es ist dem Betreiber eines Bewertungsportals grundsätzlich nicht zuzumuten, jeden Beitrag vor der Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Nicht ausgeschlossen sind hingegen Überwachungspflichten in spezifischen Fällen.
Fazit:
Bewertungsportale machen sich die Bewertungen von Nutzern nur zu eigen, wenn sie die Äußerungen inhaltlich-redaktionell aufbereiten oder ihren Wahrheitsgehalt überprüfen, was in der Praxis de facto so gut wie nie der Fall ist. Die Bewertungsportale haften also für rechtsverletzende Bewertungen nicht, wie für eine eigene Äußerung. Sie haften vielmehr erst dann, wenn sie auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden sind und die Bewertung nicht unverzüglich sperren und keine Vorsorge treffen, dass sie auch zukünftig unterbleibt.
Das Urteil darf nicht missverstanden werden. Selbstverständlich hat das Hostel einen Anspruch auf Löschung der Bewertung auf Holidaycheck, wenn diese unwahre Tatsachenbehauptungen enthält. Diese Löschung ist aber auf die Abmahnung hin auch unverzüglich erfolgt. Das Urteil stellt lediglich fest, dass das Portal nicht von vornherein für rechtsverletzende Bewertungen haftet und dementsprechend nicht sofort kostenpflichtig abgemahnt werden kann.
Das Urteil im Volltext ist hier abrufbar.